Table Fables: A collection of tables for the weary game master (Madeline Hale)

»Table Fables« ist ein Buch voller Tabellen, mit deren Hilfe man einen Charakter erstellen kann – beispielsweise für ein Rollenspiel, aber auch für Geschichten und Bücher. Die folgende Geschichte wurde mit Hilfe dieser Tabellen geschrieben. Ich habe natürlich viele eigene Ideen in den Text eingebaut, weil ich aus der Arbeit mit Tabellen dieser Art sehr viel Freude ziehe und ich mich nur schwer bremsen kann, dennoch wäre all das ohne »Table Fables« so nie entstanden. Viel Spaß beim Lesen.

Es ist allgemein bekannt, dass der Biss des kleinäugigen Schleckfrosches für das Opfer tödlich endet. Kurze Zeit nach dem Biss hat man das Gefühl, immer kleiner zu werden, während sich das eigene Körpergewicht minütlich verdoppelt. Dies sorgt nicht nur für heftige Kopfschmerzen, sondern auch für das Gefühl, langsam auf dem Meeresboden von einer Würgeschlange zerdrückt und gleichzeitig von einem umkippenden Vulkan zermalmt zu werden. Selbstverständlich wird man in Wirklichkeit gar nicht kleiner, jedoch ändert das nichts an der unangenehmen Situation. Letztendlich stirbt man übrigens weder daran, dass man schrumpft, noch daran, dass man nicht schrumpft, sondern daran, dass sich das eigene Gehirn langsam in Brei verwandelt, weil es einfach nicht damit klarkommt, wie klein die Augen des kleinäugigen Schleckfrosches sind.

Im Schloss herrschte wegen der ganzen Sache große Aufregung, weil der kleinäugige Schleckfrosch durch eine Verkettung unangenehmer und auch peinlicher Umstände nicht nur den König, sondern diesen ausgerechnet in eine Region gebissen hatte, in der sowohl kleinäugige Schleckfrösche als auch die meisten anderen Lebewesen nichts zu suchen hatten. Man hatte beschlossen, in einer Sondersitzung des Linguistikbeirats zu beratschlagen, warum der kleinäugige Schleckfrosch überhaupt so bezeichnet wird, wo er doch gar keine Zunge, sondern stattdessen gleich vier Kiefer voller Reißzähne besitzt. Während man angeregt über einen Termin für die Sitzung diskutierte, wurde gleichzeitig befohlen, alle Wesen mit druidischen Fähigkeiten ins Schloss zu bringen, um dem König mit Hilfe irgendwelcher Naturheilkünste zu helfen. Im Grunde wussten zwar alle Anwesenden, dass man den König nicht mehr retten konnte, jedoch hielt man es für richtig, zumindest so zu tun, als wäre man stets bemüht, die Sache noch irgendwie regeln zu wollen.

Die erste Druidin, die von den Wachen gefunden wurde, war Titania. Sie hatte vor dem Schloss auf dem Boden gesessen und die an ihr vorbeigehenden Menschen um Kleingeld gebeten, um ihre Existenz, die zwar reich an Erfahrung aber arm an Bargeld war, ein wenig zu verbessern. In der Regel blieb sie bei dieser täglich durchgeführten Tätigkeit leider erfolglos, da sie genauso arm wie unfreundlich war und eigentlich jeden Menschen in dieser Stadt verachtete. Sie selbst war eine Zwergin, jedoch sollte die Rassismuskeule heute einmal in ihrem Beutel bleiben, da Titania nichts dafür konnte, dass sich in dieser Stadt fast ausschließlich Menschen aufhielten. Außerdem interessierte sie das überhaupt nicht. Hätte sie in diesem Moment in einer Zwergen-, Ork- oder Elfenstadt gehockt, hätte sie sich genauso verhalten. Die Sache war ganz einfach: Sie hasste alle gleich. Sie beleidigte alle, die ihr kein Geld gaben, und manche beleidigte sie bereits, bevor sie sie überhaupt um Geld gebeten hatte, weil sie sich sicher war, von »Leuten wie denen« sowieso nichts zu bekommen, wodurch sie von »Leuten wie denen« auch wirklich nichts bekam.

Als die Wachen sie fragten, ob sie eine Druidin sei, weil sie von oben bis unten mit Erde bedeckt war, grunzte sie die beiden Kerle lediglich wütend an und bat sie genauso wütend, sich zu verziehen. Sie ließ ihre weißen Augen ein wenig aufleuchten, um ihre Abneigung besser zum Ausdruck zu bringen, was den beiden Wachen ausreichte, um sie zumindest als Zwergin mit magischen Fähigkeiten zu identifizieren, was in einer hoffnungslosen Situation vollkommen ausreichte, um sich selbst einzureden, alles versucht zu haben. Sie packten sie an den Schultern, hoben sie auf die Beine und zerrten sie hinter sich her. Ihre zerfledderten, alten Kleidungsstücke hielten diesen Strapazen nur unter Protest stand, indem sie all den Schmutz und Dreck von sich schmissen, um ihr Gewicht zu reduzieren. Titania zeterte weiter, jedoch konnte sie nicht viel gegen die beiden ausrichten, schließlich war sie für eine Zwergin mittlerweile über zwanzig Jahre zu alt und ihr ehemals muskulöser Körper hatte sich längst in eine ähnlich aussehende Staubwolke aufgelöst wie die, sie sich gerade hinter ihr bildete. Als sie das Schlosstor passierte, kamen Erinnerungen in ihr hoch. Auch sie hatte mal in einem Schloss gelebt. Aber bevor sie sich weiter ihren Vater und ihre vier Geschwister Pomeline, Herald, Ballad und Iliana erinnern konnte, wurde sie bereits in das Zimmer des Königs geschoben, der schreiend in seinem großen Bett lag. Er rollte von der einen auf die andere Seite, krümmte sich vor Schmerzen und bemerkte Titania zunächst gar nicht. Die zwei Wachen ließen sie endlich los und schauten sie erwartungsvoll an.

»Was ist mit ihm?«, fragte sie.
»Kleinäugiger Schleckfrosch«, antworteten die beiden Wachen gleichzeitig.
»Oh. Und was soll ich da machen?«
Die zwei Wachen zuckten mit den Schultern.
Titania seufzte. »Wo wurde er denn gebissen.«
Die beiden Wachen verzerrten das Gesicht und schauten auf den Boden, nein, nicht auf den Boden, sondern in Richtung ihrer Hoden.
Titania schüttelte mit dem Kopf.

Es ist ein allgemein bekanntes Phänomen, dass männliche Menschen sofort eine gehörige Portion Intelligenz verlieren, sobald sie von etwas hören, das das Wort »schlecken« im Namen trägt. Umgehend werden die primitivsten Triebe in ihnen geweckt und Gerüchte besagen, dass nachdem die Triebe befriedigt wurden, nicht die gesamte Intelligenz zum Menschen zurückkehrt, sondern sich Teile von ihr lieber an Orten aufhält, an denen sie eher gebraucht wird, zum Beispiel in einem Moor. Dies soll auch die Erklärung dafür sein, warum man in Mooren immer wieder die nackten Leichen männlicher Menschen findet, die so aussehen, als wären sie im Moor versunken, während sie irgendetwas von sich in dieses gesteckt hatten. Natürlich wussten alle anderen Spezies der Welt, was genau da ins Moor gesteckt wurde, jedoch weigerten sich alle, darüber zu reden, denn so wichtig war der Verlust von ein paar männlichen Menschen nun auch wieder nicht, um sich mit Gesprächen darüber den Appetit zu verderben.

Titania wusste jedenfalls, dass hier nichts mehr zu machen war. Der König würde sterben und dem Geschrei nach zu urteilen sogar recht bald. Langsam ging sie zum Bett und griff in ihren Lederbeutel, den sie sich über die linke Schulter gehängt hatte. Sie holte eine runde Flasche hervor, die mit einer gelben Flüssigkeit gefüllt war, und hielt sie dem König hin. Dieser griff wie im Wahn danach, öffnete sie und trank sie in einem Zug leer. Sofort begann der Trank zu wirken. Der Körper des Königs erhob sich etwa dreißig Zentimeter von der Matratze und schwebte dort langsam auf und ab. Die Wachen kamen herbeigeeilt und sahen Titania fragend an.

»Wird er wieder gesund?«
»Nein.«
»Was war das für ein Trank?«
»Ein Schwebetrank.«

In diesem Moment starb der König. Dass er schwebend starb, bemerkte er gar nicht, wobei es ihm auch egal gewesen wäre. Das Letzte, woran er dachte, war der ekelhafte Geschmack von vergammelter Banane, den der Trank in seinem Mund hinterlassen hatte.

Titania musste sich ein Lächeln verkneifen, weil sie wusste, dass sie soeben dafür gesorgt hatte, dass ein Mensch nicht nur vor Schmerzen gestorben war, sondern wegen ihr dabei auch noch an vergammelte Bananen hatte denken müssen. Dass sie daraufhin von den Wachen des Mordes bezichtigt wurde, um vor der Öffentlichkeit zu verbergen, dass der König wegen einer Interaktion mit einem kleinäugigen Schleckfrosch im Intimbereich gestorben war, fand sie wiederum überhaupt nicht lustig. Man steckte sie ins Gefängnis, um sie für immer zum Schweigen zu bringen.

Und genau an dieser Stelle beginnt Titanias Geschichte.

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